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Donnerstag, 20. Dezember 2012

Bericht zur Podiumsdiskussion "Taktische Nuklearwaffen in Europa" am 4.12.2012


Zum Autor: Niklas Golitschek ist freiberuflicher Journalist mit den Themenschwerpunkten Videospiele und eSport. Er verfasste darüber hinaus schon Artikel über die Europäische Union, den Castor-Transport und Projekte, wie den Equilibrismus. Daher freuen wir uns, dass ihn auch das Thema der Nuklearwaffen interessiert und veröffentlichen gerne seinen Artikel zu unserer Veranstaltung am 4. Dezember.
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"Podiumsdiskussion: Nuklearwaffen müssen weg – aber wie? (Von: Niklas Golitschek)

Allein im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel lagern vermutlich 20 US-Atomwaffen, die Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe zugeteilt wurden. Von den ursprünglich fünf Lagerns ist Büchel das vermutlich letzte in Deutschland. Zwar findet weltweit eine nukleare Abrüstung statt, allerdings nur sehr langsam. Außerdem werden die noch vorhandenen Atomwaffen weiterhin modernisiert, sodass diese effektiver und gefährlicher werden. Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt veranstaltete Global Zero zu taktischen Nuklearwaffen in Europa eine Podiumsdiskussion.

Unter der Leitung von Jens Steffek diskutierten die Gäste Uta Zapf, Giorgio Franceschini und Johannes Varwick über die Möglichkeiten einer Welt ohne Atomwaffen. Die Nukleare Teilhabe (NATO Nuclear Sharing) war ein wesentlicher Bestandteil der Diskussionen: Zur Abschreckung erhalten nicht nukleare Staaten nukleare Waffen von Staaten, die in deren Besitz sind. So auch im Beispiel der Waffen der USA, die in Deutschland lagern. Ein weiterer Teil des Programms ist, dass die beteiligten Staaten die Voraussetzungen zum Einsatz dieser Waffen schaffen, sofern dieser als notwendig erscheint. Jedoch können nur die USA, als derzeit einziger Waffengeber in Europa, über den tatsächlichen Einsatz verfügen.

Obwohl im Bundestag ein Konsens zur Abrüstung herrscht, wurden die Atomwaffen aus Büchel nicht an die Amerikaner zurückgegeben. Dabei sei der einseitige Abzug der Waffen nach Amerika eine Grundvoraussetzung für weitere Verhandlungen mit Russland, wie die SPD-Bundestagsabgeordnete Uta Zapf erklärte. Reichweite der Waffen sei nur sehr gering. Varwick, Professor für Politikwissenschaft, ist der Ansicht, dass dies ein Teufelskreis der Abrüstung sei, da keiner den ersten Schritt machen wolle. Er kritisierte, dass „der Abrüstungsprozess selbst umfangreicher sein muss“, damit er sinnvoll sei. Zapf forderte: „Auch die illegalen Waffen müssen verschwinden.“

„Die Motive der USA aus dem Kalten Krieg sind auch noch heute präsent“, behauptete Franceschini, sie seien immer noch vor einer russischen Einflussnahme in Europa verunsichert. Für den momentanen Status quo sei aber vor allem Frankreich mit seiner „Blockadepolitik“ verantwortlich. Die immer schlechter werdende innenpolitische Lage sorge dafür, dass die nukleare Teilhabe als Prestige gelte. „Als Hoffnungsschimmer sehe ich die Finanzkrise“, sagte Franceschini. Eine Konsequenz dieser sei, dass die Waffen zu teuer für die Staaten würden. Kritiker bemängeln außerdem, dass die Teilhabe gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoße, der die Verbreitung von Kernwaffen untersagt. Des Weiteren ist den kernwaffenfreien Staaten eine atomare Aufrüstung durch den Vertrag untersagt, während die bereits nuklearen Staaten nicht genug für die Abrüstung täten. Dazu kommt, dass die im Vertrag genannten Atomwaffenstaaten die ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sind. Somit könnten Versuche der anderen Staaten zur Abrüstung durch das Vetorecht blockiert werden. Zusätzlich führten die Atomwaffenstaaten alle bereits Angriffskriege.

Gleichzeitig dürfe man aber nicht Russlands Sicherheitsängste durch die nukleare Ausstattung der NATO-Länder übersehen, erwiderte Zapf. Varwick unterstützte dies. Die Russen seien konventionell abgehängt worden. Drohnen oder Waffen wie die USA sie besitzen, seien in Russland nicht vorhanden. Als Abschreckung und Zeichen der Unterlegenheit diene lediglich die Atomwaffe, was Varwick verstehe. Die NATO macht es nicht anders. Er geht außerdem davon aus, dass Russland nicht mehr die Bedrohung darstelle und es ein gutes Zeichen wäre sie in die NATO einzuladen.

Denn der Fokus der Sicherheitspolitik verschiebe sich weg von Russland in Richtung Asien. Die heutigen Probleme seien Länder wie Iran, Pakistan, Indien und Nordkorea, die entgegen der Proliferation versuchen nuklear aufzurüsten. Ein Problem bestehe darin, dass der Atomwaffensperrvertrag keine Sanktionen beinhaltet. Deshalb blieb es beispielsweise für Nordkorea ohne Folgen, als es 2003 seine Zustimmung zurückzog. Länder, von denen ein Atomwaffenbesitz angenommen wird (Indien, Israel, Pakistan) unterzeichneten den Vertrag gar nicht erst und verstoßen demnach nicht gegen internationales Recht. Dazu ergänzte Franceschini, dass Iran und Nordkorea am Abgrund stünden und eine unberechenbare Gefahr seien. Um diese zwei Staaten im Zaun zu halten benötige es allerdings keine 20.000 Atomwaffen weltweit. Da momentan keine Bedrohung für NATO-Staaten bestehe, forderte er eine stärkere Abrüstung. Denn selbst innerhalb der NATO herrsche kein Konsens mehr zur nuklearen Teilhabe, die zusätzlich eine Vorbereitung zum Vertragsbruch darstelle. Denn auch im Krieg gelten abgeschlossene Verträge. Des Weiteren seien die EU-Stützpunkte nicht so gut geschützt wie die der Air Force, weshalb sie für die eigene Bevölkerung ein Sicherheitsrisiko seien.

Die momentane politische Haltung Deutschlands kritisierte Varwick als „feige“. Es dürfe nicht auf den technischen Verfall gewartet werden, bis die Atomwaffen aus Deutschland verschwinden, sondern es müsse eine politische Lösung her."





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